Band 6 "Sprache"

Aus dem Inhalt:

Oskar erläutert die Tabelle: „In Zeile 1 und 2 antwortet das Pro auf den Anwurf von Kontra, in Zeile 3 bis 7 antwortet Kontra dem Pro mit schwachen Argumenten.
„Die Tabelle ist klasse“, strahlt Martin.
Oskar stubbst ihn mahnend in die Seite und erwidert: „Ja, sie ist gelungen.“
Martin verlegen: „Meine Freude ist mit mir durchgegangen. Ich werde mich bessern.“
Oskar lächelt: „Dass du auch noch im Internet die Katastrophe von Tokio entdeckt hast, passt gut in unser Konzept. Damit hast du bewiesen und an einem Beispiel dargestellt, dass die Landluft frisch und besser ist als die in der Stadt. Also noch einmal zur Erinnerung:
Argumentieren heißt beweisen, begründen, überzeugen. Forderungen musst du begründen, Behauptung beweisen.“
„So werde ich auch die anderen Vor- und Nachteile aus der Mind Map bearbeiten und mit dem Leben in der Stadt vergleichen“, verkündet Martin.
„Eine gute Idee“, bestätigt Oskar, wenn du damit fertig bist, kannst du dir meinen Schulaufsatz über den Drogenverbrauch anschauen. Meine Gedankengliederung beim Argumentieren können dir helfen.“
Martin verwundert: „Hast du auch auch einen Aufsatz geschrieben?“
„Ja!“ sagt Oskar, „die Facharbeit habe ich zuhause geschrieben. Mit der Stoffsammlung und Literatursuche hat sie zwei Tage gedauert. Bei einer Klassenarbeit hast du höchstens zwei Stunden Zeit. Deshalb habe ich das Wesentliche aus der Facharbeit in einen Zwei-Stunden-Aufsatz zusammengefasst.“
„Ich danke dir, Pappi“, schwärmt Martin und umarmt seinen Vater.
„Mit dem Hauptteil hast du noch einiges zu tun“, dämpft Oskar Martins Jubel, „wenn du mich dazu brauchst, so bin ich an deiner Seite.“
Oskar blättert in dem Studienordner, zieht plötzlich die Stirn hoch und murmelt:
„Donnerwetter, was ich damals alles gemacht habe!“
Martin wird neugierig: „Was denn? Kann ich es gebrauchen?“
„Mit Sicherheit“, betont Oskar, zunächst fällt mir hier gerade etwas ganz Lustiges in die Hände; als kleiner Junge habe ich mal für die Zeitung eine Fortsetzungsgeschichte geschrieben, fünf Mark habe ich damals dafür bekommen.“
„O, zeig doch mal bitte“, fleht Martin.
„Nun gut, hier ist sie,“ und Vater gibt ihm den Zeitungsausschnitt.
Martin liest das Knabenstück seines Vaters und kommt aus dem Staunen nicht heraus.
„Das hast du dir ganz allein ausgedacht“, bewundert er seinen Vater.
„Ja, es hat mir Spaß gemacht“, bestätigt Oskar, „du kannst ja die Geschichte fortsetzen. Hier ist noch ein Referat über gutes Deutsch, eine Zusammenstellung über die Wortarten, den Satzbau und den Stil.“
„Was gibt es denn für Wortarten?“ fragt Martin.
„Schau mal in meine Listen aus der Studienzeit. Im Wesentlichen gibt es sieben Gruppen, die Hauptwörter, Tätigkeitswörter …“
Martin unterbricht: „Du kannst ruhig Substantive, Verben sagen.“
„Gut“, stimmt Oskar zu, „sodann also Adjektive, Adverbien, Pronomen, Präpositionen und Konjunktionen.“
Martin zuckt mit den Schultern: „Zu Präpositionen und Konjunktionen fällt mir gerade nichts ein.“
„Präpositionen sind Verhältniswörter“ klärt Oskar auf, „zu den Verhältnissen gehören Raum, Zeit, Ursache, Art und Weise; also beantworten sie die Fragen nach dem Wo, Wann, Warum und Wie. Beispiel: Auf dem Abstellgleis steht seit zwei Tagen ein Zug ohne Triebwagen wegen eines Bremsschadens.
Wichtig ist zu wissen, welche Fälle die Präpositionen regieren. Verben mit einer zielgerichteten Bewegung, Frage nach dem Wohin, fordern den Akkusativ, Frage nach dem Wo den Dativ. Beispiele: Ich gehe auf der Straße spazieren. Der Ball fällt auf die Straße. Viele Präpositionen verlangen den Genitiv: Wegen des Sturmes fällt der Flug aus.“
„Das reicht mir jetzt“, stöhnt Martin.
„Kurz zu den Konjunktionen“, fährt Oskar fort, „sie verbinden Wörter oder Sätze. Wie man sie unterscheidet und wann sie eingesetzt werden, siehst du am besten in der Tabelle des Referates. Über den Satzbau brauchen wir jetzt nicht zu sprechen; dein Aufsatz zeigt, dass du ihn beherrschst. Aber lies dir das Referat demnächst mal durch, dann vertiefst du einige Regeln, besonders über den guten Stil.“
Martin stöhnt: „Ich kann nicht mehr.“
„Wir sind auch schon am Ende“, tröstet der Papa, „das war das Wichtigste aus dem Referat.“
Martin lehnt sich zurück und atmet tief durch, dann aber kommt noch die Frage: „Affixe musst du mal erklären.“
"Affixe sind die Vor- und Nachsilben von Substantiven, Verben, Adjektiven und Adverbien. Die Vorsilben nennt man Präfixe und die Nachsilben Suffixe, zum Beispiel Auftakt, Rittertum - befrieden, - unklar, rundlich - allerspätestens, oftmals. Das reicht jetzt mit dem Ausflug in die höhere Grammatik.“
Oskar atmet ebenfalls tief durch.
Martin gähnt: „Mir ist das alles zu viel auf einmal.“
Oskar gibt noch nicht auf: „Nun aber noch kurz etwas zur Einleitung deines Aufsatzes. Es geht recht schnell,“ verspricht Oskar, „schauen wir in die Facharbeit. Du hast verschiedene Möglichkeiten für die ersten Sätze in deinem Aufsatz. Beispielsweise kannst du aus der Geschichte etwas herausholen, auch persöhnliche Gedanken können einfließen oder etwas Aktuelles aus den Nachrichten, ein Zitat wirkt manchmal auch gut und wenn du etwas Ähnliches oder Gegensätzliches zum Thema findest, kannst du es ebenso nehmen. Nur nicht alles zusammen, denn die Einleitung soll kurz sein und neugierig machen.“
„Da bin ich aber neugierig“, lacht Martin.
Auch Oskar lacht und fährt fort: „Als historischer Einstieg eignet sich der Ruf ,Stadtluft macht frei!’ Im Mittelalter sind die Leibeigenen von ihren Dienstherren in die Städte geflüchtet und wurden nach einiger Zeit für freie Bürger erklärt.“
„Das gefällt mir“, stimmt Martin zu, „die Freiheit war schon immer ein hohes Gut.“
„Bravo!“ fällt Oskar bei, „fangen wir etwa so an:
>> „Stadtluft macht frei!“ Dieser Ruf drang im Mittelalter manchem Leibeigenen ins Ohr und die Fürsten, Grafen und Burgherren hatten Mühe, ihre Hörigen davon abzuhalten, in die Städte zu flüchten. Hier haben die Stadtherren sie nach einer gewissen Zeit für frei erklärt, besonders wenn ihr Geschick oder handwerkliches Können für nützlich erkannt wurde. In den Städten konnten die Dienst- oder Grundherren ihre geflüchteten Leibeigenen kaum wiederfinden und so ließ der Ruf nach Freiheit die Städte anwachsen. Die Flucht vor den Lehnsherren findet eine Parallele seit dem Zeitalter der Industrialisierung, weil von diesem Zeitraum an die Bauern ihren Verdienst mit dem Handel teilen müssen. Die industrielle Verfeinerung von Milch, Weizen, Kartoffeln und Fleisch zu Schlagsahne und Joghurt, Croissants und Knäckebrot, Knödel und Fertigpürree, Kalbspastete und Salamiwurst hat den Verbraucher derart verwöhnt, dass der Landwirt die vom Handel diktierten Preise anerkennen muss.
So kann nur noch ein Kind einer Bauernfamilie den Hof übernehmen und mit gerade noch auskömmlichem Verdienst wirtschaftlich weiterführen. Die anderen Nachkommen unterstützt der Hof bei ihrer Berufsausbildung oder ihrem Studium. Als Folge dieser finanziellen Lage entsteht ebenfalls eine Flucht, ein Abwandern in die Stadt. Gerade aber das Wachstum und die Anziehungskraft der Stadt haben Nachteile. So haben in den letzten Jahren viele Menschen die Natur wiederentdeckt. Lärm und schlechte Luft in der Stadt – Ruhe und Luftreinheit auf dem Lande sind die großen Gegenpole. Die Lebensqualität steigt in der Natur. Bauermärkte sind nahebei und sorgen für eine gesunde Ernährung. Gesundheit ist das Wichtigste in unserem Leben. Bei jedem Geburtstag steht sie an erster Stelle der Glückwünsche. Mit diesen Gedanken will ich in das Thema „Landleben, Vor- und Nachteile“ einsteigen.<<“
Martin ist begeistert: „Solch eine gute Einleitung habe ich noch nie geschrieben.“
Und dann nachdenklich: „Wenn ich sie so abgebe, wird der Lehrer dann glauben, dass ich sie selbst geschrieben habe?“
Oskar gibt ihm recht: „Du musst diesen Text in deine Worte kleiden, so wie du sprichst. Dann glaubt dir der Lehrer.“
Martin, etwas traurig: „Schade, dann habe ich ja noch zu tun.“
Oskar rafft ihn wieder auf: „Du zeigst mir anschließend deine Einleitung und ich werde dir noch eine paar Tipps dazu geben. Nun aber noch schnell zum Abschnitt C, Schluss des Aufsatzes.“
„Gleich fallen mir aber die Augen zu“, stöhnt Martin.
Oskar: „Ganz schnell! Der einfachste Schluss ist eine Zusammenfassung des Hauptteils. Ebenso kannst du auch einen Ausblick geben, etwas folgern, deine Meinung sagen oder etwas wünschen.“
Martin: „Dann wünsche ich mir etwas. Das tue ich am liebsten.“
„Gut!“ sagt Oskar, „schreiben wir also:
>> Nachdem ich nun all die Argumente gegenübergestellt, diskutiert, abgewogen habe und als Ergebnis das Leben auf dem Lande bevorzuge, wäre es wünchenwert, wenn viele Menschen die Vorteile des Landlebens kennenlernten.
Der Garten vor der Tür dient mit seinen Früchten nicht nur einer gesunden Ernährung, er fordert uns auch zur Bewegung auf und bietet die Möglichkeit, dass wir uns ab und an von den Fesseln der abendlichen Krimis im Fernsehen lösen. <<“
Martin stößt hervor: „Der Schluss ist eine Wucht! Den nehme ich.“
Auch Oskar ist zufrieden und klopft seinem Sohn anerkennend auf die Schulter:
„Du warst ganz eifrig bei der Sache. Prima!“
Jetzt kneift Martin seinem Papa in die Schulter, Oskar stutzt und beide lachen aus vollem Halse.
„Jetzt hast du mich hereingelegt“, prustet Oskar, „aber du hast wirklich gut mitgearbeitet. Morgen Nachmittag werden wir uns mal die Übungen aus meinem Germanistikstudium anschauen.“
„Au ja!“ begeistert sich Martin, „da schauen wir, was du so drauf gehabt hast.“
„Frechdachs!“ schimpft Oskar, „aber nun ab zum Abendbrot.“
„Schreibtischarbeit macht auch hungrig“, wundert sich Martin, „vor allem durstig. Was es wohl heute Abend zu essen gibt?“
„Lassen wir uns überraschen“, meint Vater und die beiden gehen in die Küche.

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